12. Operatoren für lebendige musikalische Sequenzen

Beim Produzieren von Musik hat man in vielen Fällen zunächst eine grobe Idee, die dann zügig den Weg in den Computer findet. Diese Aufnahme spiegelt zwar die erste Idee wieder, muss aber oftmals noch dem Kontext angepasst und variiert werden. Wenn doch nur der Computer dem Komponisten etwas von seiner Arbeit abnehmen und sich um all die Feinheiten und kleinen Variationen kümmern könnte! Aus diesem Grund gibt es in Bitwig Studio die Operatoren.

Operatoren bestimmen, wann oder wie Noten und Audio-Events abgespielt werden. Anders ausgedrückt können Operatoren bereits aufgenommenen Sequenzen Leben einhauchen, indem sie von Zufallswerten, Loop-Logik, Performance-Features und anderen Wechselbeziehungen Gebrauch machen und somit die Variationsmöglichkeiten eines einfachen Clips stark erweitern.

Lassen Sie uns diese Vielzahl an Funktionen genauer betrachten.

  • Zufallswerte wägen ab, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Event wiedergegeben wird oder nicht.

  • Loop-Logik zieht in Betracht, wie oft ein Clip geloopt wurde. Basierend auf dieser Information können Events nur beim ersten Loop-Durchgang (oder nur danach) abgespielt werden. Außerdem kann einem Event eine Anzahl von Loop-Durchgängen zugewiesen werden (beispielsweise sechs Loops pro Durchgang) und das Event dann nur beim ersten, zweiten und vierten Durchgang abgespielt werden.

  • Mit Performance-Features können Events dem Fill-Schalter zugewiesen werden. Sie werden dann nur abgespielt, wenn dieser aktiv ist (oder umgekehrt).

  • Wechselbeziehungen zwischen Events bestimmen, ob ein Event nur wiedergegeben wird, wenn auch das vorherige Event wiedergegeben wurde (oder umgekehrt).

  • Selbst die einfachste Funktion – zum Beispiel ein einzelnes Event in eine Vielzahl von Wiederholungen zu verwandeln – vervielfacht Ihre Möglichkeiten des Sounddesigns und hält gleichzeitig den Arbeitsaufwand überschaubar.

Jede dieser Funktionen bietet bereits alleine ein großes Potenzial (und ist an verschiedenen Stellen innerhalb von Bitwig Studio verfügbar). Doch all diese Funktionen sind in den Operatoren zusammengefasst. Operatoren können Sie bei Ihrer Kompositionsarbeit unterstützen, beispielsweise durch Wiedergabebedingungen zwischen Events und vielem mehr.

Wir schauen uns zunächst jeden der vier Operator-Modi an und danach einige Funktionen, die mit Operatoren in der einen oder anderen Weise zusammenhängen. Nachdem wir uns mit jedem Operator einzeln beschäftigt haben, werden wir mehrere Operatoren gleichzeitig einsetzen (beispielsweise Chance beim ersten Event, gefolgt von Ohne vorheriges Event beim nächsten). Die Kombination von mehreren Modi kann zu musikalisch sehr interessanten Ergebnissen führen.

Operator-Modi

Wenn Noten oder Audio-Events ausgewählt werden, erscheint der Bereich Operatoren im Inspektor-Panel. In jeder Zeile befindet sich einer der vier Operatoren mit fast allen verfügbaren Parametern.

Für jedes neue Event – ganz gleich, ob es durch Einzeichnen von Noten, Zerschneiden eines Audioclips oder durch Aufnahme von Noten oder Audiosignalen erstellt wurde – werden alle Operatoren auf einen neutralen Wert gesetzt, der lediglich dazu führt, dass das Event normal wiedergegeben wird. Die voreingestellten Werte werden unten aufgeführt.

Beachten Sie, dass die Symbole der Operator-Modi gleichzeitig als Schalter dienen. Wenn Sie beispielsweise Einstellungen im Occurrence-Modus ändern, können Sie mit einem Klick auf den if-Schalter den Occurrence-Modus kurzzeitig deaktivieren. Standardmäßig sind alle Modi aktiviert. Wenn Sie also einen Operator ausprobieren wollen, müssen Sie lediglich einige Noten oder Audio-Events auswählen und einen Wert im Inspektor-Panel einstellen.

Betrachten wir nun die unterschiedlichen Modi genauer.

Chance

Chance legt die Wiedergabewahrscheinlichkeit eines Events fest. Damit wird Ihren Events ein gewisses Maß an Zufälligkeit hinzugefügt.

Chance besitzt nur einen einzigen Parameter, der bestimmt, wie wahrscheinlich es ist, dass das Event wiedergegeben wird. Wenn also der Chance-Wert eines Events auf 50 % gesetzt ist (die Hälfte der Zeit) und der Clip viermal wiedergegeben wird, wird das Event sehr wahrscheinlich nur zweimal abgespielt.

Chance wird bei jedem Event durch ein Würfel-Symbol dargestellt. Die Anzahl der Punkte repräsentiert den aktuell eingestellten Wert:

  • 5 Punkte – 80 % bis fast 100 %

  • 4 Punkte – 60 % bis fast 80 %

  • 3 Punkte – 40 % bis fast 60 %

  • 2 Punkte – 20 % bis fast 40 %

  • 1 Punkt – 0 % bis fast 20 %

In folgendem Beispiel verringert sich zunächst die Wiedergabewahrscheinlichkeit der Noten, um sich dann wieder zu erhöhen.

Chance Expressions von Noten haben außerdem ihren eigenen Editor, der rechts neben den Velocity Expressions angezeigt wird (Chance Expressions).

Formulierungen wie "sehr wahrscheinlich" erinnern uns daran, dass Chance auf Zufallswerten basiert. Sämtliche Werte, die vom Standardwert 100 %(also immer) oder von der Einstellungen 0 % (also nie) abweichen, bedeuten, dass die Wiedergabe unvorhersehbar ist.

Da der Operator auf Zufallswerten basiert, wird Chance vom Startwert-Parameter (siehe Startwert-Bereich) des Clips gesteuert. Somit verhält er sich ähnlich dem Verteilungs-Parameter von Expressions (siehe Verteilung von Expressions).

Falls Chance der einzige Operator ist, der bei einem Event aktiviert ist, wird beim Start jedes Cycle-Durchgangs angezeigt, ob das Event abgespielt wird oder nicht. Bei Noten verdeutlicht eine dicke Umrandung, dass das Event wiedergegeben wird. Bei Audio-Events wird die Wiedergabe durch einen hellen farbigen Balken in der Dachzeile verdeutlicht.

[Anmerkung]Anmerkung

Nicht alle Operatoren erzeugen eine Visualisierung der Wiedergabe. Wenn Sie beispielsweise mehrere Operatoren gleichzeitig verwenden, könnte ein Event aufgrund des Chance-Parameters als aktiv dargestellt werden, die Wiedergabe aufgrund anderer Parameter aber dennoch verhindert werden.

Repeats

Repeats fügt neue Trigger innerhalb des ursprünglichen Events hinzu und kreiert (und steuert) so eine Vielzahl an Wiederholungen.

Repeats hat mindestens zwei Parameter.

  • Repeat-Rate legt fest, wann die Retrigger erzeugt werden. Die Standardeinstellung ist Off (kein Effekt; genauso wie das Eintippen von 1 oder 0 [null]). Dieser Parameter hat zwei Modi.

    Wenn Sie auf den Parameter klicken und den Cursor nach oben ziehen, stellen Sie einen positiven, ganzzahligen Wert ein (2, 3 usw. bis 128). Damit legen Sie die Anzahl der Segmente fest, in die das Event unterteilt wird. Diese Unterteilung ist unabhängig vom Taktraster. Dies bedeutet ebenfalls, dass eine Längenänderung eines Events auch die Platzierung seiner Repeats beeinflusst.

    Wenn Sie den Cursor nach unten ziehen, stellen Sie eine Bruchzahl ein (1/2, 1/3 usw. bis 1/128). Damit legen Sie die Geschwindigkeit fest, mit der die Repeats in Bezug auf das Taktraster getriggert werden. Zwar können hier alle Bruchzahlen bis 128 eingestellt werden, die gebräuchlichsten Werte sind aber in einem Pop-up-Menü zusammengefasst, das Sie mit einem Rechtsklick auf die Repeat Rate öffnen können.

  • Die Repeat-Kurve lässt sich durch einen horizontalen Fader einstellen, der sich neben der Repeat-Rate befindet. Dieser ist in der Standardeinstellung zentriert (0 %), sodass alle Repeats an ihrer ursprünglichen Position verbleiben. Negative Werte (auf der linken Seite) führen dazu, dass die Repeats am Anfang des Events dichter zusammenrücken, positive Werte (auf der rechten Seite) lassen die Repeats dagegen am Ende des Events zusammenrücken.

Diese beiden Parameter legen die Platzierung und das Timing der Repeats fest. Jedes erneute Triggern eines Events verhält sich wie ein Neustart einer Note oder eines Audio-Events. Die grafische Darstellung verdeutlicht das Resultat der Bearbeitung. Bei Audio-Events entspricht die Wellenformanzeige dem Wiedergabeverhalten.

Bei Noten gibt es beim Repeat-Operator zwei zusätzliche Velocity-Parameter.

  • Der Repeat-Velocity-Endwert legt die Höhe der Anschlagsstärke am Ende der Repeats fest. Da die Anschlagsstärke nur am Anfang jeder Note verwendet wird, ist es möglich, dass dieser Wert niemals erreicht wird. Die Kurve bleibt jedoch erhalten, wenn die Rate oder das Timing der Repeats verändert wird. Die Einheit des Parameters wird als bipolarer Prozentwert angegeben, der sich immer auf den gesamten Bereich der Anschlagsstärke bezieht.

    Bei einer Note mit einem Velocity-Wert von beispielsweise 40 % hätte ein Repeat-Velocity-Endwert von 0 % keinerlei Auswirkungen. Jeder Repeat würde mit der ursprünglichen Anschlagsstärke wiedergegeben werden. Ein Repeat-Velocity-Endwert von 50 % würde die erste Note mit einem Velocity-Wert von 40 % abspielen, bei den folgenden Repeats würde die Anschlagsstärke kontinuierlich ansteigen und bei einem Velocity-Wert von 70 % enden. Bei einem Repeat-Velocity-Endwert von -75 % hingegen würde die erste Note mit einem Velocity-Wert von 40 % abgespielt werden und die folgenden Repeats auf einen Velocity-Wert von 10 % absinken.

  • Der Repeat-Velocity-Endwert befindet sich am rechten Rand der Zeile Repeats im Inspektor-Panel neben dem Stecknadel-Symbol (sofern Noten ausgewählt sind). Außerdem wird er als editierbarer Punkt am Ende einer Note in der Velocity Expression Lane angezeigt.

  • Weiterhin ist die Repeat-Velocity-Kurve innerhalb der Velocity Expression Lane verfügbar. Wenn Sie die ALT-Taste gedrückt halten und den Punkt des Velocity-Endwerts nach oben oder unten ziehen, können Sie die Kurvenform verändern.

Beachten Sie, dass jede Note oder jedes Audio-Event mit aktiviertem Repeats-Operator immer noch ein einzelnes Event ist – zumindest so lange, bis Sie die Funktion Zerschneiden an Repeat-Positionen verwenden (siehe Zerschneiden an Repeat-Positionen). Expressions können daher über die gesamte Länge eines Events eingezeichnet werden, auch über die Repeats hinweg.

Occurrence

Occurrence legt die Wiedergabebedingungen für jedes Event fest. Sie können die Kondition in einem Menü auswählen.

Jedes Event, bei dem Occurrence aktiviert ist, wird mit einem Symbol entsprechend der ausgewählten Kondition angezeigt. Beachten Sie, dass jede Kondition autark arbeitet und keine zusätzlichen Parameter besitzt.

  • Immer – Das Event wird bei jedem Durchgang wiedergegeben. Dies ist die Standardeinstellung.

  • Nur Erster – Das Event wird nur im ersten Durchgang (einschl. Retrigger) des Clips wiedergegeben.

  • Niemals Erster – Das Event wird außer im ersten Durchgang (einschl. Retrigger) des Clips immer wiedergegeben.

  • Mit vorherigem Event – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn auch das vorherige Event abgespielt wurde.

  • Ohne vorheriges Event – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn das vorherige Event nicht abgespielt wurde.

  • Mit vorheriger Note [nur bei Noten] – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn auch das vorherige Event derselben Tonhöhe abgespielt wurde.

  • Ohne vorherige Note [nur bei Noten] – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn das vorherige Event derselben Tonhöhe nicht abgespielt wurde.

  • Mit vorherigem Kanal [nur bei Noten] – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn auch das vorherige Event desselben Kanals abgespielt wurde.

  • Ohne vorherigen Kanal [nur bei Noten] – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn das vorherige Event desselben Kanals nicht abgespielt wurde.

  • Fill aktiv – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn der Fill-Modus aktiviert ist (siehe Transportbereich).

  • Fill inaktiv – Das Event wird nur dann wiedergegeben, wenn der Fill-Modus deaktiviert ist (siehe Transportbereich).

Wie wir bereits am Anfang des Kapitels erwähnt haben, bietet Occurrence Funktionen wie Loop-Logik (die ersten beiden Modi), Wechselbeziehungen zwischen Events (alle Modi, die sich auf vorherige Events beziehen) und Performance-Features (Fill aktiv und Fill inaktiv).

[Anmerkung]Anmerkung

Von allen Occurrence-Modi bieten nur die ersten beiden eine grafische Darstellung bei der Wiedergabe.

Recurrence

Recurrence wiederholt ein Event in folgenden Loops gemäß dem eingestellten Recurrence-Muster.

Wie Sie im obigen Inspektor-Panel sehen können, gibt es für diese Funktion zwei Parameter zusammen mit einem grafischen Element.

  • Mit der Recurrence-Länge legen Sie die Anzahl der Loops pro Durchgang für ein Event fest. Dieser Wert umfasst einen Bereich zwischen 1 (der Standardeinstellung, die als Off angezeigt wird) und 8.

  • Neben der Längenangabe befindet sich eine entsprechende Anzahl von Schaltern. Jeder dieser Recurrence-Schritte kann ein- oder ausgeschaltet werden. Somit legen Sie fest, ob das Event in diesem Loop-Durchgang abgespielt wird oder nicht.

  • Unter einem dieser Schalter befindet sich eine Linie, die anzeigt, welcher Loop des Recurrence-Musters gerade wiedergegeben wird.

Dieses Muster wird außerdem am rechten Rand von Events selbst angezeigt, durch eine Serie von schattierten (an) oder leeren (aus) Rechtecken.

Weiterhin bietet Recurrence eine grafische Darstellung bei der Wiedergabe für jedes Event, wenn ein Loop-Durchgang startet.

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